Als junger Steuerfachangestellter steht einem nach Ausbildungsende die Welt offen – es gibt eine Menge Fortbildungsmöglichkeiten und die Suche nach einem passenden Arbeitgeber gestaltet sich nicht schwierig. Bei der Untersuchung „Arbeitslandschaft 2030“, durchgeführt im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, landete der Beruf des Steuerberaters auf Rang sechs. Steuern gab es immer schon, ob bei den alten Ägyptern, im Mittelalter oder heute, die Zukunftssicherheit ist also gegeben – oder?

 

Fluch und Segen der Digitalisierung

Wie kommt es nun, dass es in einer solchen Branche Fachkräftemangel herrscht? Ein großes Thema ist die Unsicherheit, wie sich das Aufgabenbild in Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung verändern wird. Das heißt mitnichten, dass man sich als Inhaber einer Steuerberatungspraxis gegen diese Entwicklung stemmen soll, denn dies könnte bedeuten, dass man in Kürze vom Markt verschwunden ist. 2019 erreichte die Anzahl an Steuerberatungsgesellschaften erstmals einen 5-stelligen Bereich. Die sich davon ableitende Prognose lautet, dass bis 2025 rund 10 % der kleinen und mittleren Kanzleien nicht mehr konkurrenzfähig sein werden.

Das ist auch den Steuerfachangestellten bewusst, denn liest man in Foren von Steuerbranchen-Gruppen mit, findet man eine Menge qualifizierter Menschen, welche auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber sind. Häufiger Grund dafür: Ihre aktuelle Kanzlei verweigert die Digitalisierung. Weitere Gründe: Knapp bemessenes Gehalt und zu wenig flexible Arbeitszeiten.

 

Zeigen Sie, dass Sie einen Plan haben

Wenn der Mitarbeiter das Gefühl bekommt, er muss noch irgendwie ein paar Jahre durchhalten, bis die Kanzlei ohnehin schließen muss, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig ist, wirkt das nicht sonderlich motivierend.

Das bedeutet, den schmalen Grat zwischen Digitalisierung und Zukunftsorientierung zu finden und trotzdem dem künftigen Mitarbeiter das Gefühl zu geben, dass man auch künftig nicht auf seine Arbeitsleistung verzichten kann und will. Denn auch wenn gewisse Tätigkeitsbereiche in der Steuerberatung durch Digitalisierung ersetzt werden, so ist es dennoch unabdingbar, dass genügend qualifizierte Mitarbeiter vorhanden sind, die diesen Prozess überprüfen, Ergebnisse analysieren, Handlungsempfehlungen ableiten etc.

Tatsache ist aber auch, dass viele der aktuell in der Branche arbeitenden Steuerfachangestellten dazu nicht in der Lage sein werden. Zum einen, weil sie in Kürze in den Ruhestand eintreten, zum anderen, weil sie so lange analog tätig waren, dass eine Umschulung zum digitalen Arbeiten nicht mehr sinnvoll erscheint, weil der Wille zum Umdenken fehlt. Andere Mitarbeiter müssen erst intensive und mehrjährige Weiterbildung durchlaufen, um diese Tätigkeiten ausführen zu können. Diese Umstände führen definitiv zu einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Jene Berufsanfänger, die IT- UND Steuerkenntnisse vorweisen können, sind rar. Digitalaffine Mitarbeiter wählen häufig andere Berufszweige als die Steuerbranche.

 

Ausbildung muss angepasst werden

Der digitale Wandel birgt die Chance, auch in kleinen Kanzleien die Dienstleistungen weiter auszubauen und die Effizienz der Arbeit zu steigern. Wer sich gerne mit Steuerthemen befasst, kann von ungeliebten Verwaltungsaufgaben befreit werden, die künftig digitalisiert werden. Dadurch bleibt mehr Zeit für Gespräche mit dem Mandanten.

Ein Problem ist, dass der aktuelle Ausbildungsplan der Steuerfachangestellten noch viel zu wenig auf diesen neuen Sektor eingeht. Stattdessen wurde beispielsweise noch 2018 über die Vermögenssteuer gelehrt, wenngleich diese seit 20 Jahren abgeschafft ist. Eine fundierte steuerliche Ausbildung ist unerlässlich, allerdings müssen auch der digitale Mandant, bzw. die digitale Betreuung Teil des Ausbildungsfachs werden.

Ein weiterer Punkt, der durchaus noch ausbaufähig wäre, ist das Thema Kommunikation mit dem Mandanten. Intensiver Austausch und Beratung werden immer wichtiger und dürften daher auch in der Ausbildung intensiver behandelt werden.

Im Großen und Ganzen würde es nicht schaden, das angestaubte Image des Berufsstandes aufzupolieren und die Attraktivität der steuerberatenden Berufe zu erhöhen. Dafür können Marketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sorgen und es sollte bereits in den Schulen damit begonnen werden.

 

Pandemie bringt Mehrarbeit

Während Steuererklärungen, Beratungen, Jahresabschlüsse, Überprüfung von Unterlagen etc. zum Alltagsgeschäft gehören, brach durch die Pandemie plötzlich eine unerwartete Mehrarbeit auf viele Kanzleien herein: Dringende Fragen beantworten zum Thema Corona-Hilfen und Förderungen, Klienten unterstützen beim Ausfüllen diverser Anträge etc. Plötzlich wurden Steuerfachangestellte zum Krisenbegleiter. Daher sind neben der Affinität zu Zahlen auch Empathie und Einfühlungsvermögen gefragt.

Hier ließen sich in der Vergangenheit viele motivierende Erfolgserlebnisse verzeichnen, weil viele Unternehmen durch die richtige Beratung und Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten vor der drohenden Insolvenz gerettet werden konnten.

In vielen Kanzleien würde sich die Anstellung eines weiteren Steuerfachangestellten bezahlt machen, wenn nicht der Markt der Arbeitnehmer fast wie leergefegt wäre.

 

Authentizität und Menschlichkeit an erster Stelle

Wider Erwarten sind es nicht die Themen Gehalt oder Arbeitszeiten, welche angehende Steuerfachangestellte als wichtigsten Punkt bei ihrem künftigen Arbeitgeber nennen. Die jungen Kandidaten lassen sich auch nicht mehr mit eindrucksvollen Hochglanzbroschüren der Kanzlei beeindrucken. Was am meisten zählt, ist Menschlichkeit und Teamwork.

Die Steuerfachangestellten von morgen wünschen sich einen Umgang auf Augenhöhe, die eigentliche Ausbildung soll nicht hinter Hilfsleistungen zurückstehen. Blindes Ausführen von Befehlen ohne eigenständig zu denken ist etwas, womit die Nachwuchsgeneration überhaupt nicht umgehen kann.

Die Kandidaten wünschen sich eine Arbeit, welche sie erfüllt und Sinn macht. Der Beruf des Steuerfachangestellten ist besonders zur Weiterentwicklung für jene attraktiv, welche kein Studium absolviert haben. Es ist dennoch möglich, einen Freiberufler- bzw. Kammerberufstatus zu erlangen. Trotzdem möchte kaum jemand laufend Anträge wie ein Fließbandarbeiter ausfüllen müssen.

Nutzen Sie die Möglichkeiten von Social Media, um die künftigen Kandidaten für sich einzunehmen. Denken Sie auch daran, ab und zu etwas Auflockerndes zu posten, etwa ein passender Cartoon oder ein Foto vom Kanzleihund etc. Seien Sie kreativ und lassen Sie sich in Sachen Social Media ruhig manchmal von ihren Kindern etc. beraten, um zu wissen, was junge Menschen anspricht.

Um jung und ansprechend auf die Kandidaten zu wirken, ist es nicht notwendig, als Kanzleiinhaber selbst blutjung zu sein. Vielmehr geht es darum, im Kopf jung zu bleiben, Veränderungen positiv gegenüber zu stehen und stets aufgeschlossen für Neues zu sein.