Düstere Aussichten für die Pflege?

 

Kaum eine Branche wurde über einen derart langen Zeitraum so gebeutelt und wird es noch wie unsere Pflege. Die Helden von 2019 sind ausgebrannt und desillusioniert, viele haben dem Pflegeberuf den Rücken gekehrt, was die Situation für die Verbliebenen noch prekärer macht. Der demographische Wandel zeigt sich nicht nur bei den Fachkräften, sondern auch bei der immer älter werdenden Bevölkerung. Der Bedarf an Altenpflegekräften steigt immer mehr an. Ist die Anwerbung ausländischer Fachkräfte wirklich die Lösung für den Fachkräftemangel in der Altenpflege?

 

Wie schaut die Arbeitsmarktsituation in der Altenpflege aus?

Noch immer ist die Altenpflege überwiegend eine Frauendomäne, mehr als drei Viertel der Beschäftigten sind weiblich. Das bedeutet auch eine hohe Zahl der Teilzeitbeschäftigten, aktuell geht rund die Hälfte einer Teilzeitbeschäftigung nach. 2021 fehlten in der Altenpflege im Schnitt 17.000 Arbeitskräfte. Die Besetzung einer freien Stelle dauert im Durchschnitt 170 Tage.

Besonders intensiv mangelt es an examinierten Altenpflegern. Dennoch ist der steigende Bedarf an Pflegekräften wesentlich deutlicher absehbar als in anderen Branchen, und das bereits seit langem. Ohne Zweifel liegen große Versäumnisse, darauf zu reagieren, bei der Politik. Aber was können Sie als Arbeitgeber gegen den Fachkräftemangel in der Pflege, besonders in der Altenpflege, unternehmen?

 

Bessere Arbeitsbedingungen – nicht nur Versprechen

Kaum eine Branche ist desillusionierter, wenn es um Versprechungen geht, als die Pflege. Von insgesamt mehr Stellen schaffen und besserer Bezahlung brauchen wir gar nicht zu sprechen beginnen.

Mit Sicherheit lässt sich aber vielerorts mit gutem Willen an den Arbeitsbedingungen etwas ändern. Hohe körperliche und psychische Belastung führt dazu, dass rund 65 % der Pflegekräfte ziemlich sicher sind, dass sie nicht bis zum Erreichen des Pensionsalters im Job bleiben können. Jeder Dritte, der einen Pflegeberuf ausübt, fühlt sich enorm unter Zeitdruck und dadurch stark belastet.

Zeitdruck entsteht durch mehrere Faktoren, wo Sie als Arbeitgeber ansetzen können:

  • Bessere Personalplanung: Nicht zu wenig Pflegekräfte für zu viele Bewohner einteilen, nicht zu aufwändige Bewohner für zu wenig Pflegekräfte einteilen, das gilt genauso auch für die mobile Pflege
  • Krankmeldungen können nicht immer über das verbleibende Personal kompensiert werden
  • Keine Zusatzaufgaben verteilen, wenn bereits Personalknappheit besteht
  • Dokumentation braucht Zeit, nachdem immer mehr Arbeitsschritte schriftlich dokumentiert werden müssen. In den wenigsten Fällen wird diese Zeit beim Erstellen des Personalschlüssels eingerechnet, sie fehlt aber enorm bei der Versorgung der Bewohner, und etwas oder jemand kommt immer zu kurz.

 

Richtiger Umgang mit Krankenständen

Krankmeldungen fallen ebenfalls in Ihren Zuständigkeitsbereich als Arbeitgeber. Und zwar nicht in diesem Sinne, als dass den Angestellten vermittelt wird, dass sie sich keinesfalls einen Krankenstand erlauben dürfen, wenn sie weiterhin beschäftigt werden wollen. Abgesehen davon ist dieses Druckmittel bei der derzeitigen Personalsituation ohnehin weitgehend wirkungslos, denn wenn Sie eine Pflegekraft nicht mehr weiterbeschäftigen wollen, wird sie woanders mit offenen Armen empfangen werden. Ist jemand jedoch außergewöhnlich häufig krank, gilt es, die Ursachen zu überprüfen. In der Regel ist das nämlich ein Anzeichen der Überlastung.

Keinesfalls darf es Aufgabe des Personals sein, sich zu überlegen, wie die fehlende Person ersetzt werden kann. Mitarbeiter an ihren freien Tagen oder in ihrem Urlaub deshalb einzubestellen, ist eine schlechte Entscheidung.

 

Raum für die Verarbeitung von seelischer Belastung geben

Am stärksten geht die Belastung jedoch von der seelischen bzw. emotionalen Belastung durch den Beruf aus. Selbstverständlich ist das den meisten Pflegekräften bereits vor ihrer Berufswahl bewusst, aber in der Praxis bleibt kaum Zeit, all das Erlebte auch zu verarbeiten, geschweige denn, professionell aufzuarbeiten.

Oft macht sich bei den Pflegekräften auch ein Gefühl der Hilflosigkeit breit, weil sie das Gefühl haben, dass sie niemals alles so schaffen, wie sie sollten. Neben Waschen, Ankleiden und Mobilisieren muss die Körperpflege durchgeführt und Essen angereicht werden. Oft sind die Pflegefachkräfte auch für die Ordnung in den Schränken der Bewohner, Wäschezuteilung und das Reinigen von Hilfsmitteln zuständig. Werden sie damit nicht fertig, ärgert sich die nächste Schicht über die liegen gebliebenen Aufgaben. Der Druck steigt und die Pflegefachkräfte fühlen sich unglücklich, weil die zu betreuenden Bewohner zu kurz kommen.

Neben besserer Arbeits- und Aufgabenverteilung dürfen empathische Kommunikation und Hilfsangebote für die Pflegefachkräfte nicht fehlen. Durch die Pandemie sind neue Belastungsfaktoren dazugekommen, nämlich die Angst, Bewohner anzustecken, der Umgang mit der sozialen Isolation der Bewohner, aber auch selbst soziale Isolation zu erleiden durch stark eingeschränkte Kontakte. In einem eingespielten Team, welches sich aufeinander verlassen kann, besteht eine viel stärkere Resilienz gegenüber dem Umgang mit solchen Situationen.

Spezielle Seminare, Supervision und Austausch im Team sollten durch Sie als Arbeitgeber stets möglich gemacht und angeboten werden. Das beugt auch dem Burnout im Pflegeberuf vor. Eine wertschätzende Unternehmenskultur und gute Rahmenbedingungen sind unbedingte Grundlagen für ein gutes und erfolgreiches Arbeiten, sodass Ihre Mitarbeiter noch lange Zeit gerne für Sie tätig sein werden. Seien Sie sich bewusst, dass Ihre Mitarbeiter täglich Unglaubliches leisten und würdigen Sie diese Leistung auch dementsprechend, zeigen Sie den für Sie beschäftigten Fachkräften, dass Sie Ihre Arbeit sehen und wertschätzen.

Auf diese Weise gewinnen Sie bestimmt neue Mitarbeiter, welche gerne und langfristig für Sie tätig sind.